Sei nicht nervös
Der Club begann jetzt lebendig zu werden, die Musik dröhnte, die Lichter blinkten und die Leute strömten durch die Türen herein. Ein starker Geruch nach Zigaretten und Alkohol lag in der Luft, und ein Brummen durchzog mich vom Bass der Musik. Kevin informierte alle Mädchen über ihre Bühnenstandorte, und sie winkten höflich, während sie sich auf den Weg machten.
„Wo willst du mich haben?“ fragte ich, da ich noch keine Bühne zugewiesen bekommen hatte.
„Du, meine liebe Violence, wurdest von Luciano im VIP-Bereich angefordert.“
„Der VIP-Bereich? Ist der nicht normalerweise für die erfahrensten Mädchen reserviert? Ich habe erst seit ein paar Monaten mit Stacy gearbeitet, und ich meine, ich weiß, was ich tue, aber ich bin sicher, dass eines der anderen Mädchen hier viel besser zu deinen VIP-Kunden passen würde.“
„Whoa, langsam, ich kann praktisch sehen, wie dein Kopf sich dreht. Stacy hat uns bereits von deiner Erfahrung erzählt, aber sie sagte auch, dass du auf der Bühne ein absolutes Wunder bist, als wärst du dafür geboren. Ich bin sicher, Luciano will sein neuestes Mädchen kennenlernen. Komm schon, ich bin sicher, du wirst großartig sein. Außerdem geben die Kunden dort oben die besten Trinkgelder“, sagte er mit einem Augenzwinkern und streckte seinen Arm aus, um mich zum oberen Stockwerk zu begleiten.
Ich könnte die Trinkgelder gebrauchen. Die zwei Zuckerpäckchen, die ich in den letzten 24 Stunden hatte, brachten mir nicht viel, und irgendwann würde ich Geld für Essen und einen Backup-Plan brauchen. Wenn ich in den letzten fünf Jahren etwas gelernt habe, dann immer einen Backup-Plan zu haben. Anfangs waren es Dinge wie ein anderer Park oder eine Bank zum Schlafen, aufgesparte Essensreste oder eine mentale Karte der Buslinien und Städte. Aber seit Stacy mir den Job in der letzten Stadt gegeben hat und ich einen Vorgeschmack darauf bekommen habe, einen einigermaßen netten Schlafplatz zu haben, denke ich ein bisschen größer. Ich möchte genug Geld beiseite legen, um die Kosten für eine weitere Wohnung, Kleidung, Toilettenartikel und Essen zu decken, wenn ich wieder umziehe. Du weißt schon, die Grundlagen.
Ein Sicherheitsmann am unteren Ende bewachte die Treppe, die zum VIP-Bereich führte. Er löste das Seil und nickte uns zu, dass wir hinaufgehen sollten. Ich bemerkte den Atmosphärenwechsel fast sofort. Das Hauptgeschoss war jetzt voll, hell, energetisch und chaotisch. Die blinkenden Lichter und die lärmenden Kunden hätten mir wahrscheinlich ziemlich schnell Kopfschmerzen bereitet. Der obere Stock war jedoch vom Rest des Clubs abgeschottet.
Kevin zeigte mir den Code für die Tür am oberen Ende der Treppe, und als er sie öffnete, fühlte es sich an, als würde man in eine völlig andere Welt treten. Die Musik war nicht so laut, immer noch präsent, aber man müsste nicht darüber schreien. Die Beleuchtung war gedämpft, aber konstant, und die Einrichtung bestand aus dunklem Holz, Schwarz mit goldenen und roten Akzenten.
Ich stand neben Kevin und ließ meinen Blick durch den Raum schweifen, bis er schließlich auf der Bühne am hinteren Ende hängen blieb. Sie war groß genug, dass ich nicht die ganze Zeit auf die Stange angewiesen wäre, wie ich es bei Thrive getan hatte. Diese Bühne bot genug Platz, damit ich mich bequem um sie herum bewegen konnte. Getreu dem Thema war die Bühne mit einer goldenen Stange, roter Beleuchtung und dunklem Holz ausgestattet. Ich machte einen Schritt darauf zu, bereit, die Welt auszublenden und mich in der Musik zu verlieren mit dem Versprechen von leicht verdientem Geld, aber Kevin legte seine Hand auf meine, bevor ich seinen Arm loslassen konnte. Ich schenkte ihm einen hoffentlich höflichen, fragenden Blick, und er beugte sich vor, um mir ins Ohr zu flüstern.
„Der Boss wollte dich treffen, bevor du anfängst. Sei nicht nervös.“
Ja, genau das brauchte ich, nicht nervös zu sein, dachte ich, während meine Augen zu dem Tisch rechts von der Bühne schnellten, zu dem Kevin uns nun führte. Sechs große, gut gekleidete, gefährlich aussehende Männer saßen in der Nische und alle Augen waren auf mich gerichtet, als wir näher kamen. Ich war plötzlich sehr dankbar für den Halt an Kevins Arm, denn ich war mir sicher, mein Magen würde gleich aus meinem Hintern fallen bei dem Anblick des Mannes, der am Ende der Nische saß. Er hatte pechschwarzes Haar, an den Seiten kürzer und oben etwas länger. Tätowierungen bedeckten seine Hände und seinen Hals; ich war sicher, dass sie auch unter seinem teuren Anzug weitergingen. Ich hatte keine Ahnung, wie dieser Anzug nicht an den Nähten riss, so wie er sich über seine massiven Arme und Oberschenkel spannte. Goldene Ringe schmückten seine Finger, die gedankenverloren auf einem Glas trommelten, das sicherlich Whiskey enthielt. Er sah aus, als würde er Whiskey trinken. Alles an ihm schrie Alpha-Männchen. Er war gefährlich, und mein dummer Körper schien das nicht zu verstehen, denn er wurde sofort heiß, als ich seinen griechisch-gottgleichen Körper zu Ende musterte und seine obsidianfarbenen Augen traf.
Nein. Tu das nicht. Ich wandte schnell den Blick ab und traf auf ein Paar durchdringend blaue Augen, wie meine. Der Mann neben ihm war genauso groß, vielleicht etwas schlanker, mit zerzaustem blondem Haar und einem jungenhaften Lächeln, das mir tatsächlich ein wenig die Nervosität nahm.
Ich musterte den Rest der Gruppe, und ich schwöre, es muss etwas im verdammten Wasser sein. Warum waren sie alle so riesig? Wie zur Hölle konnte Stacy mit diesen Kerlen aufwachsen, ohne schwanger zu werden? Meine Eierstöcke schrien geradezu nach Fortpflanzung.
„Kevin“, sagte der Mann am Ende, seine Augen wanderten von meinen zu dem Mann, an dessen Arm ich immer noch klammerte.
„Mr. Donatello, darf ich Ihnen Ihr neuestes Mädchen vorstellen. Diese Schönheit hier ist Violence.“
Er musterte mich von oben bis unten und lächelte verschlagen. Seine obsidianfarbenen Augen starrten direkt in meine Seele.
