Kapitel 4 Sie wollte ihn.

Nach einer Weile wurde der Gruppe langweilig, und jemand schlug vor, ein Spiel zu spielen. Die Regeln waren einfach: Alle legten ihre Handys zusammen, und die Person, deren Handy zuerst klingelte, musste eine Strafe wählen – entweder "Wahrheit oder Pflicht" oder einen Drink nehmen.

Es war unbestreitbar, dass ein so gewagtes Spiel der schnellste Weg war, um alle einander näherzubringen. Nach ein paar Runden waren die anfangs distanzierten Männer und Frauen schon recht vertraut miteinander.

Yvette hob ihren Blick leicht und traf unerwartet auf ein Paar kalter, emotionsloser Augen.

Seine Augen schienen frei von Emotionen, doch sein Gesichtsausdruck war nachdenklich. Er trug ein schwarzes Hemd und eine schwarze Hose; der einfache, aber hochwertige Stil betonte seine breiten Schultern und seine schmale Taille.

Bevor Yvette ihre Gedanken sammeln konnte, lenkte ein Vibrationsgeräusch vom Tisch die Aufmerksamkeit aller auf sich. Es war Violets Handy.

"Oh, was haben wir denn hier? Schauen wir uns Violets Sperrbildschirm an!" rief ein Mädchen aus.

Kaum hatte sie das gesagt, schien Violet das Problem zu erkennen und schnappte sich schnell ihr Handy, aber alle, einschließlich Yvette, hatten es bereits gesehen.

Es war ein lebendiges Foto: ein blauer Himmel, ein klarer See, ein Meer aus rosa Blumen, ein Mann im weißen Hemd auf einem Knie, der einer Frau im weißen Kleid einen Ring präsentierte. Ihre Silhouetten glichen einem wunderschönen Gemälde.

Die Frau auf dem Foto war natürlich Violet, und der Mann, der den Antrag machte, war Yvettes frisch angetrauter Ehemann, Albert.

Mitten in den Neckereien spürte nur Yvette einen Hauch von Bitterkeit in ihrem Herzen.

Violet hatte Alberts Liebe, seine Aufmerksamkeit und sein Versprechen, ein Leben lang bei ihr zu bleiben. Und Yvette? Sie war hastig seine Frau geworden, nicht einmal einen Ring wert.

Ein wenig niedergeschlagen leerte Yvette den letzten Tropfen in ihrem Glas.

Der Mann, der den anderen Getränke einschenkte, bemerkte ihr leeres Glas und bemerkte prompt: "Oh, warum trinkt hier jemand noch alkoholfreie Getränke?"

Er kam mit einem Glas Whisky, einem hochprozentigen Getränk, auf sie zu. Yvette, die ihren Zustand bedachte, blickte instinktiv in Alberts Richtung. Sie wusste nicht, warum sie in diesem Moment an Albert dachte; vielleicht war ihr Kopf benebelt, und sie hegte sogar den Gedanken, dass Albert ihr helfen könnte, wenn sie schwanger wäre.

Aber die Realität war grausam. Albert sah Yvette nicht an; seine Aufmerksamkeit galt allein Violet.

Albert und Violet beugten sich vor und führten ein leises Gespräch. Yvette wusste nicht, was Albert sagte, aber Violets Gesichtsausdruck wurde sofort sauer, und sie stand auf und ging. Albert runzelte die Stirn und folgte ihr.

Im nächsten Moment war Yvettes Glas mit Whisky gefüllt. Als sie die beiden leeren Plätze ansah, konnte Yvette nicht anders, als sich innerlich zu verspotten. 'Was habe ich erwartet? Ich bin so eine Närrin.'

Als Albert und Violet gingen, beugte sich Sylvia zu Victor und fragte: "Was ist los?"

Victor antwortete lässig: "Sie haben sich gestritten. Ich muss sagen, nur Albert kann Violets Temperament ertragen."

"Ich dachte, Herr Valdemar sei der kalte und unromantische Typ."

"Das ist er auch!" lachte Victor. "Aber nur bei anderen Frauen. Violet ist anders."

Der Whisky vor Yvette verströmte einen starken Alkoholgeruch, der ihr Übelkeit verursachte. Sie stand auf und fühlte sich etwas wackelig.

"Ich muss auf die Toilette," sagte Yvette.

Als Yvette gehen wollte, scherzte Victor: "Du solltest besser noch ein bisschen warten. Sie könnten draußen knutschen, und es wäre peinlich, wenn du ihnen begegnest."

Yvettes Gesicht wurde blass, und sie zwang sich zu einem Lächeln, bevor sie hinausging.

Yvette hätte nie gedacht, dass Victors Worte wahr werden würden. Als sie aus der Toilette kam, stieß sie auf Albert und Violet.

Sie unterhielten sich in einer Ecke, und Yvette war zu weit entfernt, um ihr Gespräch zu hören. Doch ihren Gesichtsausdrücken nach zu urteilen, schien es keine angenehme Diskussion zu sein.

Die Bar befand sich in einem alten Viertel, mit roten, efeubewachsenen Wänden und alten Bäumen mit dicken Stämmen und üppigem Laub. Yvette fand es unhöflich, zu lauschen, also ging sie auf die andere Seite, unter den Schutz der grünen Bäume.

Doch bevor sie gehen konnte, hörte sie ein lautes Klatschen hinter sich.

Momente später kam Violet hastig auf Yvette zu, und als sich ihre Blicke trafen, waren beide überrascht. Violets tränenüberströmtes Gesicht zeigte sofort Misstrauen und Unmut, als sie Yvette sah. Beim Vorbeigehen stieß sie absichtlich gegen Yvette.

Yvettes Stimmung war kompliziert, als sie Violet nachsah. Als sie aufsah, stand Albert bereits vor ihr.

Auf seiner Wange war noch ein roter Abdruck zu sehen, und Yvette dachte, dass Violets Schlag ziemlich heftig gewesen sein musste, doch er schien unbeeindruckt. Er zog lässig ein Zigarettenetui aus seiner Tasche, klopfte es mit der linken Hand, und eine Zigarette sprang heraus. Geschickt steckte er die Zigarette in den Mund, schirmte sie mit der linken Hand ab und zündete sie mit der rechten an. Als er die Zigarette anzünden wollte, hielt er inne und steckte sie wieder weg.

Er sah Yvette mit einem spöttischen Lächeln an. "Bist du hier, um mich zu verspotten?"

Yvette lächelte bitter in sich hinein. 'Ich bin diejenige, die verspottet werden sollte.'

Er drückte plötzlich die Zigarette aus, hob eine Augenbraue und fragte: "Willst du mit mir gehen?"

In seinem tiefen Blick lag ein Hauch von Neckerei. Er sprach die gleichen Worte und mit dem gleichen lässigen Ausdruck wie vor zwei Jahren, aber es fehlte die Aufrichtigkeit. Trotzdem nickte sie.

Sie musste zugeben, dass sie ein wenig erbärmlich war.

Albert brachte sie in ein Hotel.

Sobald die Tür geschlossen war, drückte er sie gegen die Wand.

Ihre Brustkörbe pressten sich eng aneinander, was ihr das Atmen erschwerte. Im nächsten Moment benutzte Albert seine Lippen, um ihr einen Atemzug zu geben, der sie vom Rand der Erstickung zurückholte. Das Nachtlicht im Zimmer war an und warf ein schwaches Licht, das alles vor ihr verschwommen erscheinen ließ. Seine Küsse kamen unaufhörlich, erfüllt von einer dringenden und komplizierten Emotion. Er küsste von ihren Lippen bis zu ihrem Ohrläppchen. Er roch nach Rauch und Alkohol, stark und dominierend, was ihr keine Fluchtmöglichkeit ließ.

Er zerrte an ihrer Kleidung, seine kalten Hände berührten ihre warme Haut und ließen sie erzittern.

Ihre Vernunft kehrte schnell zurück, und sie legte ihre Hände auf seine Brust, um ihn daran zu hindern, weiterzugehen.

"Nein..." Ihr Gesicht war gerötet, und sie atmete schwer. Ihre Stimme war sanft, aber es war das erste Mal, dass sie ihn ablehnte.

Seine Brust hob sich noch immer vor unerfülltem Verlangen, und seine tiefen Augen zeigten etwas Unmut, als er sie anstarrte. Der Schwung seiner Lippen verblasste langsam.

"Was hast du gesagt?"

Ihre Lippen waren von seinen Bissen geschwollen, und es schmerzte leicht, als sie beim Sprechen aneinander rieben. Sie sah zu ihm auf, wiederholte ihre Worte jedoch nicht.

Albert trat einen Schritt zurück, richtete seine Kleidung und seine Stimme wurde allmählich kälter.

"Wenn du nicht willst, kannst du gehen." Damit steckte er die Zimmerkarte in den Schlitz.

Das Zimmer erhellte sich plötzlich, und sie und Albert standen schweigend da, seine Augen voller Prüfung und allmählich zurückkehrender Rationalität und Distanz. Sie wollte ihn nicht so sehen.

"Geh weiter," sagte sie.

Im nächsten Moment stellte sie sich auf die Zehenspitzen, ihre zitternden Hände umfassten sein Gesicht, und sie küsste ihn.

Auch wenn ihre Gefühle im Chaos waren, wollte sie ihn.

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